Aokigahara Doku

Arno
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Aokigahara Doku

Beitrag von Arno » Samstag 12. Mai 2012, 20:44

Ich hab ne Weile überlegt ob ich die Doku überhaupt weiterempfehle, aber das Behördle ist wohl ein geeigneter Ort zur Diskussion auch evtl. fragwürdiger filmischer Erzeugnisse, die so in Dtl. nur schwer vorstellbar sind.
Es geht um eine Doku zum Aokigahara-Forest. Dieser Wald in Japan ist nach der Golden Gate Bridge der weltweit zweit"prominenteste" Suizidort, teilweise mehr als 100 Menschen sterben in diesem Wald jährlich durch Suizid.
http://de.wikipedia.org/wiki/Aokigahara
http://en.wikipedia.org/wiki/Aokigahara
Seit drei Tagen ist eine kurze Doku auf YT verfügbar, täglich ca. 100.000 Aufrufe, die so in den deutschsprachigen Ländern wohl nicht möglich wäre. Es gibt in D/Ö/S sehr konkrete Expertenempfehlungen zur Medienberichterstattung über Suizide (etwa hier, von wirklichen Koryphäen: http://www.suizidprophylaxe.de/Medienem ... %20DGS.pdf ), die für gewöhnlich (die Enke-Berichterstattung war hier eine unrühmliche Ausnahme und die Suidrate vermehrfachte sich in Dtl. entsprechend für mehrere Monate) auch halbwegs beachtet werden obwohl sie mit journalistischen Grundsätzen kollidieren. In Japan geht man damit offenbar anders um und die Telepolis-Videoschau hat´s gestern dann zwischen zwei Lachvideos verlinkt :? .
Japanisch mit englischen Untertiteln, sehr einfach zu verstehen.

Ganz im Ernst: Wem es wirklich schlecht geht, lieber nicht angucken: TRIGGERGEFAHR!
(Das war immerhin mal mein Diplomarbeitsthema, aber eine derart gruselige Doku hab ich auch noch nicht gesehen.)


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Re: Aokigahara Doku

Beitrag von herrengedeck » Samstag 12. Mai 2012, 22:57

Diese Doku finde ich in keinster Weise fragwürdig. Durch den Verzicht auf journalistische Aufarbeitung (Fragen des Filmers, Kommentierung aus dem Off), das angenehm langsame, bedächtige, fast meditative Tempo des Films und die angenehme Erzählweise des Geologen ist ein würdiger, aufklärender Film entstanden.
Ich stelle mir gerade vor, wie die Geschichte bei 'Galileo' aussehen würde und erschauder.
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Arno
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Re: Aokigahara Doku

Beitrag von Arno » Sonntag 13. Mai 2012, 00:56

Ich kann meine Bedenken ja mal konkretisieren.
-es bleibt mehrfach kein Zweifel an der Methode, man sieht Seile und Schlingen
-die Sträuße der Angehörigen zu zeigen ist wahrscheinlich kontraproduktiv
-der Parkwächter gibt Hinweise zu harten und weichen Methoden (Erhängen vs. Tabletten) und wie man´s "richtig" macht (reingehen und aufhängen)
-der Parkwächter gibt eine vermeintliche Rechtfertigung für suizidale Handlungen (da wo die Puppe an den Baum genagelt ist)
-ein populärer Suizidort wird begangen und vorgestellt
--> alles Sachen die m.M.n. nach den Expertenempfehlungen nicht gerecht werden, da sie Nachahmungssuizide sehr wahrscheinlich begünstigen (Werther Effekt; wohl einziges Gegenbeispiel: Kurt Cobain)

Bei Galileo wird es sowas wohl nie geben, hier in Deutschland wirst du ja z.B. nichtmal was zu Schienensuiziden in der Zeitung erwähnt finden, weder im Polizeibericht noch sonstwo. Aus gutem Grund, siehe die katastrophale Berichterstattung zu Torwart Enke und die in der Folge um mehrere hundert Prozent erhöhte Suizidrate.

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Re: Aokigahara Doku

Beitrag von herrengedeck » Sonntag 13. Mai 2012, 01:52

OK, unter dem Aspekt der Expertenempfehlungen hast Du natürlich vollkommen recht. Die sind mir beim Zusehen garnicht in den Sinn gekommen. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass es mir reichlich schwerfällt, etwas wie den Werthereffekt persönlich nachzuvollziehen, auch wen ich um die Existenz dieser Handlungsweise natürlich weiß. Ich hatte einen anderen Blick auf den Film. Da mir nahezu alle 'Fakten' bereits bekannt waren, hatte ich eher einen Blick darauf, wie reißerisch der Film sein würde bzw. inwieweit Voyeurismus bedient würde (daher auch mein Hinweis auf Galileo) oder ob man sich dem Thema würdevoll annäherte. Dass dies kein Film für jedermann ist, ist mir allerdings klar.

Falls ich Dich nicht falsch verstanden habe, muss ich aber in einem Punktwiedersprechen: Über Schienensuizide sowie Suizide durch Ertrinken wird in der Leipziger Volkszeitung quasi jede Woche kurz berichtet. Meist ohne konkrete Angaben um die Umstände zwar, aber die Art des Zutodekommens, Alter und Geschlecht der Person, der Ort und die Angabe zur Existenz eines Abschiedsbriefes werden stets genannt. Ich manchen Fällen handelt es sich zudem um Personen, die vor einigen Tagen in der Zeitung als vermisst gesucht wurden und auf die dann Bezug genommen wird. Manchmal wird dort schon angedeutet, dass die Person in psychischer Behandlung sei und eine Selbsttötungsabsicht vorliegen könnte. Da bei dem Artikel zur Suche natürlich auch Namen genannt werden, ist sogar "rückwirkend" für den Leser eine Identifizierung möglich.

Diese ganze Vorgehensweise hat mich schon oft erstaunt.

Handelt es sich bei demjenigen, der sich das Leben nimmt um einen Promi, explodiert natürlich der Boulevard. Bei Enke war das extrem abstoßend und zudem dahingehend bigott, wie versucht wurde, das Thema unter welchen Vorwänden auch immer, über Wochen am Leben zu halten (Die tapfere Frau, das Kind, Ein Monat nach dem Suizid: wie hat sich der Sport verändert, Jahresgedächtnis, usw...).
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Re: Aokigahara Doku

Beitrag von herrengedeck » Sonntag 13. Mai 2012, 02:04

Aktuelle Beispiele: Alles Meldungen vom 11. und 12.05.2012

Gasexplosion: Mieter wollte sich umbringen

Nach der gewaltigen Gasexplosion in einem Hinterhaus in der Lützner Straße steht fest: Mieter Sören D. (44) wollte sich umbringen. "Es handelte sich um einen Suizidversuch", teilte Polizeisprecher Mario Weigelt gestern mit. "Die Ermittler fanden in der Wohnung des Mieters einen Abschiedsbrief." Durch die Explosion am vorigen Sonnabend war ein acht Quadratmeter großes Loch in die Fassade gesprengt und das Dach aus seiner Verankerung ausgehoben worden. Zehn Bewohner mussten ihre Wohnungen verlassen. Gegenüber Rettungskräften soll Sören D. gesagt haben, dass er mit Propangas hantiert und sich dann eine Zigarette angezündet habe.
Er schwebt weiter in Lebensgefahr. Gegen ihn wird nun ermittelt.

Eilenburg (kr). Wegen eines Suizidversuchs im Bereich der Mühlgrabenbrücke in Eilenburg werden am Mittwoch kurz nach 21 Uhr Feuerwehr, Polizei und weitere Rettungskräfte alarmiert. Die Kameraden der Ortswehr, die zur Hilfeleistung gerufen werden, können kurz nach der Ausfahrt auf Weisung der Rettungsleitstelle in Delitzsch ihre Einsatz nach etwa 15 Minuten wieder abbrechen, da der Mann, der gedroht hatte, sich von der Brücke zu stürzen, sich zwischenzeitlich in die Obhut von Polizei und Rettungsdienst begibt. "Dank des hohen Einfühlungsvermögens unserer Streife ist nichts Schlimmeres passiert", lobt Revierleiter Peer Oehler seine Beamten. Die Suizid gefährdete Person wird in ärztliche Betreuung gegeben.
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Wintergartenhochhaus
Mann springt in den Tod

Ein 56 Jahre alter Mann hat sich gestern Mittag im Stadtzentrum das Leben genommen. Wie die Polizei auf Anfrage mitteilte, sprang der Mann kurz nach 13.30 Uhr vom Wintergartenhochhaus in die Tiefe. Für ihn kam jede Hilfe zu spät, hieß es, er war auf der Stelle tot. "Es handelt sich eindeutig um Suizid", so ein Polizeisprecher. Ob der Mann in dem Haus wohnte oder für den Suizidversuch extra hierher kam, blieb zunächst unklar.
usw., usw.
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Re: Aokigahara Doku

Beitrag von v-mann » Sonntag 13. Mai 2012, 09:06

Also ich meine es gab im dt, Fernsehn mal einen Bericht über diesen Wald... und ich fürchte das das sogar in einer nicht ganz so dollen sendung war. Kann aber auch sein ich Bilde mir das nur ein. suche über Google ergab zumindest nix. Bin dabei nur auf einen Film gestoßen: http://www.imdb.com/title/tt2363081/

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Re: Aokigahara Doku

Beitrag von Arno » Sonntag 13. Mai 2012, 09:55

@herrengedeck
Die Doku ist nicht reißerisch gemacht und z.B. Musik wurde sparsam eingesetzt, ich find die Doku im Prinzip sogar sehr interessant - so spooky sie auch ist. Unter rein suizidprophylaktischen Gesichtspunkten betrachtet, ist sie allerdings hochproblematisch, m.M.n..

Die von dir angesprochenen und zitierten Beispiele überraschen mich tatsächlich, stehen nämlich m.M.n. in teilweisem Widerspruch zur Empfehlung des dt. Presserates:
"Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Begleitumstände. Eine Ausnahme ist beispielsweise dann zu rechtfertigen, wenn es sich um einen Vorfall der Zeitgeschichte von öffentlichem Interesse handelt."

Was die Medien letztlich daraus machen ist zwar auch hierzulande Abwägungssache zwischen guter Story und Menschenleben, aber später sagen "Ich wußte das nicht" kann niemand - muss sich also im schlimmsten Fall nachträglich Vorwürfe/Schuldzuweisungen gefallen lassen:
"Die Chefredaktion der Bild-Zeitung etwa macht keinen Hehl daraus, dass die Redakteure des Blattes „mitunter das Berichterstattungsinteresse deutlich höher einschätzen als der Presserat.“ Dies werde „in Grenzfällen immer so sein“"
vs.
Niggemeier: "„Schon der Gedanke, dass nur das Berichten einer Tatsache – sogar unabhängig davon, ob man Namen oder andere Details nennt – erhebliche negative Folgen haben kann, ist schwierig für Journalisten.“ Er kommt zu dem Schluss: „Natürlich muss es dann auch möglich sein, zu sagen: Das hier ist zwar eine ganz spannende Geschichte, und ich weiß auch 37 Details, die ich gerne erzählen würde, aber ich schreibe trotzdem ganz nüchtern und lasse von den 37 Details 36 weg. Ja, das läuft den normalen Regeln des Journalismus zuwider, aber an der Stelle müssen die Regeln dann halt mal ausgesetzt werden!"
http://de.wikipedia.org/wiki/Werther-Ef ... der_Medien (mit Quellen zu allen drei Zitaten)

Seit "Tod eines Schülers", den Nachahmungssuiziden infolge der Berichterstattung über eine bestimmte, immer wieder für Suizide genutzte, Brücke im Harz, dem Enke-Effekt usw. gehe ich tatsächlich davon aus, dass das Thema in sämtlichen Redaktionen angekommen ist und die fachlich begründete freiwillige "Selbstbeschränkung" der Berichterstattung auch weitestgehend praktiziert wird.

@v-mann
Angucken kann man den von dir verlinkten Film dort nicht oder krieg ich das nur nicht auf die Reihe? ;)

Hab bei Allmy aber noch ne 11 oder 12min. Doku (engl. Untertitel) gefunden. Die heißt sogar schon "The Perfect Place" :shock:



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Re: Aokigahara Doku

Beitrag von herrengedeck » Sonntag 13. Mai 2012, 12:38

Die beiden letzten Filme finde ich deutlich problematischer und meine, sie reichen schon fast an Galileo-Qualität heran: starke Personalisierung, das luschige Auftreten der "Forscher", Statement der Nachbarn: Kneipenwirt, Szenen, mit Experiment, da, wo der Ast bricht, ständige Zwischenschnitte mit Statements von Irgendwem...

Die Selbstmöderbrücke, die Du meinst ist nicht im Harz, sondern in Sachsen, an der Grente zu Thüringen: Die Göltzschtalbrücke

Die Niggemeierartikel hatte ich mir damals zum Fall Enke angeschaut und kann da nur zustimmen: Einfach mal die Schnauze halten, auch wenn es aus journalistischer Sicht schwerfällt.

Die Regeln des Presserates werden gerne sehr sehr weit ausgelegt. Leider.
Zuletzt geändert von herrengedeck am Sonntag 13. Mai 2012, 12:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Aokigahara Doku

Beitrag von herrengedeck » Sonntag 13. Mai 2012, 12:41

Nachtrag zu meinem obigen Artikel-Link: Es gibt natürlich kaum etwas dekorativeres als einen Zinksarg. Der muss ins Blatt! :angry:
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Re: Aokigahara Doku

Beitrag von Arno » Sonntag 13. Mai 2012, 19:16

Genau die Brücke mein ich, danke für die Korrektur.
Ansonsten find aber auch ich nix zum Widersprechen, dann ist das Thema wohl schon durch?^^

PS: Höchstens eine kleine Haarspalterei. Das Wort "Selbstmord" ist problematisch, weil wertend, religiös konnotiert und strafrechtliche Aspekte betonend. ;)

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